«Wir durften nicht»

Im September 2020 erscheint das neue Album «GRABER: Schattenklang». 17 brandneue musikalische Gedichte übers Ableben und Aufbegehren dagegen. Aufgenommen und abgemischt wurden die Stücke im New Sound Studio während des Corona-Lockdowns. Obwohl es so nicht geplant war, hätte der Zeitpunkt passender nicht sein können.

Jetzt bereits gibt's was zu hören: «Wir durften nicht» ist ein bissiger Kommentar zur ausserordentlichen Lage.

GRABER«Ohne Abschied»
GRABER«Der Tod rafft»
GRABER«Dunkel deiner Hoffnung»
GRABERWir durften nicht

Wir durften nicht sterben

Wir schauten hin, schauten hin, schauten hin, schauten hin.
Wir schauten hin, schauten hin, schauten hin, schauten hin.

Er schlich sich in die Köpfe,
er fuhr in die Knochen,
er frass sich in die Lungen,
er nahm uns die Sinne.

Und wir zählten und verglichen, kalkulierten und repetierten, wir verloren das Mass und verloren den Verstand. (Wir zählten und verglichen, kalkulierten und repetierten)
Wir verloren das Mass und verloren den Verstand.

Wir durften nicht sterben, wir durften nicht sterben.
Wir durften nicht sterben, wir durften nicht sterben.
(Wir verloren das Mass und verloren den Verstand)
Wir durften nicht sterben.

Und sie schlossen die Türen,
sie schlossen die Köpfe,
sie schlossen die Tage,
sie schlossen die Augen.
(Und wir zählten und verglichen, kalkulierten und repetierten, wir verloren das Mass und verloren den Verstand).

Und wir schauten, wir schauten, wir schauten, wir schauten, wir schauten, wir schauten – zu.

Wir durften nicht sterben.
Er schlich sich in die Köpfe, er fuhr in die Knochen.

Er herrschte, ohne gesehen zu sein,
er gebot, ohne erkannt zu werden,
er regierte, ohne gewählt zu sein,
er nahm, ohne lebendig zu sein.

Und wir wurden sprachlos und hilflos und wütend und traurig und hadernd und fordernd und eng. (Und wir wurden sprachlos und hilflos und wütend und traurig und hadernd und eng).

Wir durften nicht sterben. Wir durften nicht sterben. Wir durften nicht sterben.
Wir durften nicht. Wir durften nicht.
Durften nicht.
Nicht.

© Text und Musik, Jan Graber, 2020